Spiegel-Artikel: Bloß nicht zu authentisch sein?

Es ist durchaus wert, diesen Mitarbeiter verachtenden Artikel auf Spiegel Online zum Thema Überqualifizierte Bewerber: Bloß nicht zu authentisch sein einmal gründlich zu lesen, um dann unbedingt genau das Gegenteil der „Karriere-Tipps“ von Frau Hofert zu tun.

Denn wenn Sie solchen Ratschlägen folgen – und praktisch lassen sich diese durchaus in die Tat umsetzen – dann werden auch Sie zu einem der Zahnrädchen in der frühkapitalistischen Welt, in der Frau Hofert anscheinend zu Hause ist. Logischerweise werden Sie bei einem solchen Arbeitgeber gerade als kompetenter Mitarbeiter für die Dauer Ihres Arbeitsverhältnisses eben nur „Schmidtchen“ sein und auch so behandelt werden. Denn genau dafür wurden Sie dort eingestellt, beschweren Sie sich also bitte später nicht darüber. 😉

Nein, nach meiner langjährigen Erfahrung sieht die Analyse von Fällen, in denen Bewerber angeblich aufgrund von Überqualifizierung auch in angemessener Zeit keine Stelle finden konnten, ganz anders aus. Es gibt dafür mehrere mögliche und in den meisten Fällen leicht zu beseitigende Ursachen. Zwei davon möchte ich hier stellvertretend nennen:

1. Fehler: Sie bewerben sich ständig bei der falschen Art von Unternehmen

Die Tatsache, dass beispielsweise ein „Mitarbeiter mit langjährigen Erfahrungen“ gesucht wird, der „eigenverantwortlich“ arbeitet und „kreativ neue Lösungen“ entwickelt, heißt noch lange nicht, dass ein solcher auch wirklich gewollt wird. Gerade im Konzernbereich ist diese Art von Irreführung leider eher die Regel, als die Ausnahme.

Wenn Sie also nicht „Schmidtchen“ sein wollen, wählen Sie potenzielle neue Arbeitgeber entsprechend überlegt und nicht nur auf der Basis der offiziellen Stellenausschreibung aus. Oder um es mit den Worten von Frau Hofert auszudrücken: suchen Sie aktiv nach einem „First class boss“. Gutes Networking wird Sie hier über die wahren Gegebenheiten informieren.

2. Fehler: Sie bewerben sich ständig auf Stellen unter Ihrem Niveau

Aufgrund Ihrer Angst, nicht ausreichend qualifiziert, zu alt, „nur“ eine Frau usw. zu sein, bewerben Sie sich nur auf Stellen, für die Sie tatsächlich überqualifiziert sind. In diesem Fall ist die Ablehnung seitens des Unternehmens vollkommen korrekt, da man zu Recht annehmen muss, dass Sie in der zu besetzenden Position unterfordert sind und es deswegen schnell Probleme geben wird. Tragischerweise führt dies bei Bewerbern mit diesem Problem nicht selten dazu, dass sie sich mit zunehmender Zeit auf immer schlechtere Stellen bewerben und ihre Chancen damit noch weiter reduzieren.

Die Lösung liegt hier also in genau der entgegengesetzten Richtung. Machen Sie sich ein klares Bild über Ihre wirkliche Qualifikation – mit allem, was dazu gehört, und je höher, desto besser – und bewerben Sie sich dann selbstbewusst und übrigens auch mit einem passenden Gehaltswunsch auf Stellen, wo diese Kompetenz gerade genau gebraucht wird. Über die Wichtigkeit, dies dann im Rahmen Ihrer Bewerbung auch entsprechend zu kommunizieren, habe ich mich in diesem Online-Ratgeber ja bereits mehr als ausführlich ausgelassen.

Fazit: Immer auf Augenhöhe bewerben

Es gibt also sehr wohl eine Alternative zur kranken Berufswelt, für die Leute wie Frau Hofert mit ihren Tipps den Menschen im Kapitalismus zurechtzubiegen versuchen. Tun Sie sich selbst und unserer Gesellschaft den Gefallen und machen Sie dabei nicht mit! Es gibt nach wie vor tolle Unternehmen und tolle Vorgesetzte, die ehrlich an hochqualifizierten Mitarbeitern interessiert sind. Bewerben Sie sich also IMMER auf Augenhöhe!